Seit etwa zwei Jahren versuchen wir nun aus offizieller Quelle Zugriff auf die
analysierbaren Zahlen des Bundeshaushalts zu erhalten. Während Staaten wie
England und die USA längst
einen direkten Zugriff auf die eigenen Kassen (also die einzelnen Empfänger
öffentlicher Gelder) ermöglichen, scheitert im Bund bereits der einfache Zugriff
auf die Budgetdaten. Hier also die beinahe komische Chronik der Diskussion:
- März 2010: Eine Anfrage des Journalisten Lorenz Matzat
wird durch das Bundesministerium der Finanzen (BMF) Aufgrund angeblicher
Mißdeutungsgefahr abgelehnt.
- April 2010: Eine elektronische Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG)
bleibt unbeantwortet.
- September 2010: Das Projekt OffenerHaushalt, welches auf gescrapten und
vermutlich fehlerhaften Daten beruht, geht ans Netz. BMin Schröder lobt das Projekt
per Twitter. Berichterstattung zum Projekt bei ZEIT Online, Süddeutsche, FTD, taz und vielen anderen Medien. Einbindung von OffenerHaushalt auf der Homepage der FDP-Fraktion.
- Oktober 2010: Weitergabe der gescrapten Haushaltsdaten an Mitarbeiter der
Bundestagsfraktionen von CDU/CSU, Die LINKE und BÜNDNIS90/Die Grünen.
- November 2010: Weitergabe der gescrapten Daten an Mitarbeiter des Statistischen
Bundesamtes in Wiesbaden.
- Februar 2011: Eine Anfrage des
Abgeordneten Michael Kretschmer (CDU) wird durch den parl. Staatssekretär
Steffen Kampeter (CDU) abgelehnt.
Foto: W. Wiehe, Bundesministerium der Finanzen
- März 2011: Bei einem Termin im BMF kündigt ein Mitarbeiter des Referats
Öffentlichkeitsarbeit die Veröffentlichung der Daten für den August 2011 an.
- August 2011: Eine Anfrage der Abgeordneten Sebastian Blumenthal (FDP) und Otto Fricke
(FDP, haushaltspolitischer Sprecher) wird durch das BMF abgelehnt.
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- September 2011: Das Land Bremen stellt seine Haushaltsdaten bereit.
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- November 2011: Das BMF lässt durch eine Agentur
für 40.000 EUR eine eigene
Visualisierungsseite, bundeshaushalt-info.de,
entwickeln. Diese wird jedoch nicht freigeschaltet.
- Januar 2012: Eine erneute Anfrage nach dem IFG wird vom Ministerium beantwortet - mit einem negativen Bescheid. Die Europäische Kommission beantwortet eine gleichlautende Anfrage innerhalb von drei Wochen positiv.
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- September 2011: Das Land Baden-Württemberg stellt seine Haushaltsdaten bereit.
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- April 2012: In der Antwort auf eine kleine Anfrage
der LINKEN gibt die Bundesregierung an, die Veröffentlichung einer Excel-Datei sei
für den Sommer geplant.
- April 2012: Weitergabe der gescrapten Daten an Mitarbeiter der europäischen
Kommission.
- Mai 2012: Das Ministerium gibt gegenüber dem Bundesbeauftragten für die Informationsfreiheit
an, keine XML-Version des Haushalts zu speichern.
Wir bleiben gespannt. Vielleicht wird es sie ja in Zukunft geben, die
Haushaltstransparenz. Im Grunde ist es ganz einfach: Wir wünschen uns den
vollständigen, aktuellen Haushalt sowie die historischen Daten bis 2005 als
CSV-Datei. Ein Traum bleibt vermutlich die maschinenlesbare Fassung des
Regierungsentwurfs, die eine öffentliche Auswertung vor dem
Inkrafttreten erlauben würde.
Die aktuellen, inoffiziellen Haushaltsdaten gibt es übrigens hier.